Dienstag, 10. Juni 2014

BGH, Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR 46/13

Eine neue und sehr praxisrelevante BGH-Entscheidung zum Kaufrecht (sehr klausurrelevant!) behandelt neben der Abgrenzung des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung vom Schadensersatzanspruch neben der Leistung bei Ein- und Ausbaufällen im unternehmerischen Geschäftsverkehr die Frage, ob das Verschulden eines Zulieferers dem Verkäufer bei Kauf- und Werklieferungsverträgen gem. § 278 BGB zugerechnet werden kann. Im Ergebnis lehnt der BGH das erstmals seit der Schuldrechtsreform auch mit Blick auf Werklieferungsverträge (§ 651 BGB) ab. BGH, Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR 46/13 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Schreiner (der Kläger des Ausgangsverfahrens) mit dem Bauherrn eines Neubaus für ein Wohnhaus einen Werkvertrag über die Lieferung und den Einbau von Aluminium-Holz-Fenstern abgeschlossen. Die für die Herstellung der Aluminium-Außenschalen der Fenster benötigten Profilleisten bezog der Schreiner bei einem Fachgroßhandel für Baubedarf (der Beklagten). Da der Fachgroßhandel die Profilleisten in dem gewünschten Farbton „grau-metallic“ nicht vorrätig hatte, beauftragte er ein Pulverbeschichtungswerk mit der Farbbeschichtung der Leisten. Nach dem Einbau der Fenster in das Wohnhaus durch den Schreiner platzte der Lack von den Aluminium-Außenschalen der Fenster ab, weil das Pulverbeschichtungswerk die Profilleisten vor der Farbbeschichtung nicht fachgerecht vorbehandelt hatte. Der Bauherr verlangte daraufhin von dem Schreiner den Austausch der Außenschalen der eingebauten Fenster. Der Schreiner wiederum verklagte den Fachgroßhandel auf Erstattung der für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten, die insbesondere auch die Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau neuer mangelfreier Fenster umfassten. Der BGH hat den geltend gemachten Erstattungsanspruch des Schreiners gegen den Fachgroßhandel abgelehnt. Einschlägige Anspruchsgrundlage ist nach Auffassung des BGH dabei wohl §§ 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 437 Nr. 3 BGB und damit ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung – auch wenn diese Einordnung aus der Entscheidung leider nur etwas verklausuliert hervorgeht. Überzeugend ist die Einstufung als Schadensersatz neben der Leistung aber in jedem Fall: Denn anders als bei der notwendigen richtlinienkonformen Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB im Verbrauchsgüterkauf werden Ein- und Ausbaukosten im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht vom verschuldensunabhängigen Nacherfüllungsanspruch umfasst. Weil diese Kosten daher bei einer ordnungsgemäßen Ersatzlieferung ohnehin angefallen wären, können sie auch keinen Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 BGB in Verbindung mit § 437 Nr. 3 BGB) darstellen. Allerdings fehlte es mit Blick auf die hier ausschließlich relevante Pflichtverletzung der mangelhaften Leistung (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 BGB) nach Auffassung des BGH am Verschulden des Fachgroßhandels: Eigenes Verschulden (Fahrlässigkeit) kam nicht in Betracht, weil die mangelhafte Beschichtung bei Auslieferung der Leisten durch das Pulverbeschichtungswerk nicht erkennbar war. Eine Zurechnung des Verschuldens des Pulverbeschichtungswerks gemäß § 278 BGB scheiterte nach Auffassung des BGH wiederum daran, dass der Vorlieferant mangels Herstellungspflicht des Fachgroßhandels nicht dessen Erfüllungsgehilfe gewesen sei. Interessant ist, dass der BGH an dieser (bereits in der Vergangenheit vertretenen) Auffassung nicht nur mit Blick auf Kaufverträge festhält (den Vertrag zwischen Schreiner und Fachgroßhandel hat der BGH als Kauf- und nicht als Werklieferungsvertrag eingestuft, da dem Schreiner gar nicht bewusst gewesen war, dass die bestellten Profilleisten noch mit dem gewünschten Farbton beschichtet werden mussten). Vielmehr müsse sie angesichts der gesetzlichen Gleichstellung in § 651 BGB trotz der hier verankerten Herstellungspflicht auch auf Werklieferungsverträge übertragen werden. Ganz unproblematisch ist diese Auffassung des BGH allerdings nicht. Zum einen kann man sich schon fragen, ob die Ablehnung einer Zurechnung des Verschuldens von Vorlieferanten gem. § 278 BGB mangels Herstellungspflicht beim Kaufvertrag durch die seit der Schuldrechtsreform verankerte Pflicht des Verkäufers zur mangelfreien Lieferung (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) überhaupt noch tragfähig ist. Zum anderen ist das Ergebnis auch aus Gerechtigkeitsgründen nicht so ganz überzeugend: Denn letztlich bleibt der Schreiner hier auf den Kosten der Nacherfüllung sitzen, während der eigentlich Schuldige – das Pulverbeschichtungswerk – unbeschadet aus der Sache herauskommt: Das liegt daran, dass das Pulverbeschichtungswerk zwar seine Pflichten im Verhältnis zum Fachgroßhandel aus dem zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Werkvertrag verletzt hat, mangels Schaden des Fachgroßhandels aber keinen Haftungsansprüchen ausgesetzt ist. Bei einer Anwendung von § 278 BGB hätte der Schaden in der Leistungskette dagegen bis hin zur eigentlichen Verursacherin durchgereicht werden können. Patrick Ostendorf

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